AG
MINIFOSSI
Arbeitsgemeinschaft Mineralien, Fossilien, Gold, Glas & Fortifikation - Arbeitsgemeinschaft besonders befähigter Schüler - Friedrich-Ebert-Schule Schopfheim Gemeinschaftsschule D- 79650 Schopfheim Impressum & Datenschutzerklärung |
Der Schlossboden von Neuenweg |
Idealer Beobachtungs-,
Überwachungs-, Schutz- & Machtdemonstrationspunkt |
Werner Störk
©
2016 |
"Topografische Karte 1:25.000 Wies Blatt 140 Ausgabe 1895" (Detail) Archiv & Sammlung Wulf Springhart, Böllen |
Dieser Kartenausschnitt von 1895 mit markierter Höhenlinie (rot) zeigt exemplarisch den "Flaschenhals" vom Gewann Schlossboden sowie das Feuchtgebiet westlich davon, das einen Aufstieg nachhaltig erschwert hätte. Auf der Ost- und Südseite machen auch die Höhenlinien deutlich, wie exponiert die Kuppe des Schlossbodens vor dem Eingriff (Fußballplatz) in Wirklichkeit war. |
Zusammenfassung |
Nach intensiver
Erforschung aller erreichbaren Quellen ist der
Schlossboden von Neuenweg als
Gewannname wie auch als archäologischer Befund eine absolute regionale
Besonderheit. |
Mit der Übernahme des Territoriums im Hinteren
Kleinen Wiesental durch die Herren von Rötteln (1278) kommt es erstmals
zu einer bemerkenswerten Weiterentwicklung von Neuenweg vom Weiler zum
Dorf. Von 1310 bis 1360 wächst die Bevölkerung deutlich und Neuenweg und
seine Umgebung gewinnen an wirtschaftlicher Bedeutung – nicht zuletzt
durch den Silberbergbau am Spitzkopf. Vor allem aber auch durch
damals neue, sehr verkehrsgünstige Lage an der Ost-West-Querverbindung
Schwarzwald – Breisgau. |
Um ihren Einfluss und auch ihre Rechtsposition zu stärken, liegt es nahe, dass die Herren von Rötteln (und deren Nachfolger - möglicherweise aber auch schon ihre Vorgänger) ihre Präsenz in Neuenweg sichtbar dokumentieren und demonstrieren wollten, vielleicht sogar mussten – vermutlich mit der speziellen Nutzung genau jenes Gewanns, das dadurch in der Bevölkerung den Namen Schlossboden erhielt. |
|
Dass der geopolitisch und
militärisch-strategische Geländepunkt als markante und exponierte
Geländemarke in den nachfolgenden Epochen – natürlich neben
der parallelen Kontrolle der unmittelbar vorbeiführenden Handels- und Verkehrswege - immer wieder
auch als
wichtiger militärischer Kontroll- und Überwachungspunkt für den unmittelbaren Tal-, Pass- und Territorialbereich intensiv genutzt wurde, liegt sehr
nahe. |
Dies gilt Insbesondere für die sehr unruhigen Zeiten des 16., 17. und 18. Jahrhunderts. So dürften beispielsweise konkrete Ereignisse zwischen den Jahren 1632 – 1634 dazu geführt haben, dass vermutlich schwedische Truppen zeitgleich nicht nur den Schlossboden und das Eck, sondern auch den Hau und den Holderkopf militärisch besetzten und mit Schanzanlagen befestigten. Denn dies war für die Schweden kurz- und mittelfristig nur auf evangelischem Territorium umsetzbar. Und gleichzeitig boten Hau, Holderkopf, Eck und Schlossboden eine geradezu ideale Sicherung aller Pässe. Vor allem auch als Übergänge, von denen man überraschend schnell und auf sehr kurzer räumlicher Distanz ins katholische Reichsgebiet einfallen und sich genauso schnell wieder zurückziehen konnte. Die massive Kontribution durch kaiserliche Reichstruppen im evangelischen Heubronn 1633 war möglicherweise bei der schwedisch-evanglischen Schutzmacht der entscheidende Auslöser, dieses Gebiet umgehend besonders zu sichern |
Mit dem Bau der
„Vorderen Linie“ durch den
Kreisgeneralfeldmarschall der Truppen des Schwäbischen Reichskreises und
Reichsgeneralfeldmarschall des HRR,
Ludwig Wilhelm von Baden, auch Türkenlouis genannt, rückte ab
1692 auch wieder der Schlossboden
ins militärisch-strategische Blickfeld des habsburgisch-katholischen
Reichs – nicht als unmittelbarer
Bestandteil der „Linie“ –
diese verlief von Bürchau aus kommend über den
Holderkopf und den
Hau – sondern als wichtigster
westlicher Vorposten, der von der West- und Nordseite aus die optimale Wach- und
Meldefunktion (Kommunikation) in direkter Sichtverbindung mit der
Hau-Redoute
und der Holderschanze (die neu ausgebaut und verstärkt wurde)
sowie einem Sichtkontakt zum Schanzenstandort oberhalb des Klemmbachtals gewährleistete. |
Nur sehr schwer erschließt sich einem heute lebenden Bundesbürger in unserem demokratisch-gewählten und sozialen Rechtsstaates mit funktionierender Gewaltenteilung und privat-wirtschaftlicher Wohlstandsgesellschaft die humanitäre Situation der damaligen Bevölkerung, die über lange Zeiten gnadenloses Unrecht, massive Entbehrung, alltäglichen und allgegenwärtigen Hunger, rechtlose Kontribution und zügellose Zwangseinquartierung im wahrsten Sinne des Wortes nicht nur er- sondern vor allem überleben musste. Auch wenn keine unmittelbaren Kriegsereignisse direkt in Neuenweg stattfanden, war die hautnahe und stets lebensgefährliche direkte Konfrontation beim Durchzug und vor allem bei der Einquartierung sowie auf der Basis einer grundsätzlichen Vorort-Versorgung der dort lagernden Truppen ("Der Krieg ernährt den Krieg") durch die einheimische Bevölkerung eine heute kaum vorstellbare physische wie psychische Belastung: stündlich, täglich, über Wochen, Monate, Jahre und schlußendlich über Jahrzehnte hinweg. So wurden - nicht nur hier - vier Generationen geboren (die Kindersterblickheit lag bei über 70 Prozent) und diese vier Generationen starben - allesamt unter dem tagtäglich am seidenen Faden hängenden Damaklosschwert der übers Land hinwegfegenden Kriegsfurie, wie es Johann Peter Hebel sehr viel später, aber genauso aktuell und genauso eindrücklich zum Ausdruck brachte. |
Mit der
Einrichtung eines
Fußballplatzes (um 1967/68) für die damalige Neuenweger Jugend wurde der
Schlossboden erstmals offiziell
einer rein zivilen Nutzung zugeführt und auf dem heutigen
Schlossboden – diesem unglaublich
geschichtsträchtigen Stück Neuenweger Erde - pflegt man nun erstmals auch wieder
eine uralte Tradition: das winterlich-fastnächtliche Scheibenschlagen
(2016).
|
Mit der bestehenden archäologischen Sachgesamtheit aus
Linienschanze Hau-Redoute
(Viereckschanze mit Vorposten),
der Sternschanze (Polygonalschanze),
der
Linienschanze auf dem Holderkopf,
der
Ringwall-Befestigung Schlossboden, dem
Schänzle, der
Eck-Schanze sowie den über einen Kilometer langen,
noch sehr gut erhaltenen Laufgräben zwischen den Schanzen (den sog. Kommunikationslinien), besitzt Neuenweg ein gleich in mehrfacher Hinsicht historisch
bedeutsames Ensemble mit einem klaren Alleinstellungsmerkmal. |
Mein herzlicher Dank für eine ausgezeichnete Zusammenarbeit gilt: (in alphabetische Reihenfolge) Brigitte
Böhri Tourismus Kleines Wiesental Belchenhöfe-Neuenweg
Antonio De Leo
LA für Geoinformation und Landentwicklung
Luftbildstelle
Stuttgart
Dr. Heiko Dendler-Wagner Deutsche Burgenvereinigung LV BW Erwin Eiche
Neuenweg Dr. Andreas
Haasis-Berner RPS Stuttgart LA für Denkmalpflege Freiburg Dr.
Christian Later Bayerisches LA für Denkmalpflege München
Dr. Peter Löffelad Ellwanger Institut für Sprachforschung Spraitbach
Ortsvorsteher Friedrich Meyer Bürchau Marcus S. Meyer Burgen in Bayern München Ulrich Randzio Landratsamt Lörrach Vermessung & Geoinformation
Dirk Sattelberger Badische Zeitung Redaktion Schopfheim Saskia
Scherer Markgräfler Tagblatt Redaktion Schopfheim
Bürgermeister Gerd Schönbett GV Kleines Wiesental Prof. Dr.
Schubring Hausen Fritz Senn
Neuenweg Dipl.-Ing.
Wulf Springhart Böllen Dr. Helge
Steen Buggingen Revierleiter Dipl.-Ing. Joachim Trautwein Neuenweg
Oliver Uthe Landratsamt Kreisarchiv Lörrach Elmar Vogt
Hausen Michael
Werndorff Markgräfler Tagblatt Redaktion Schopfheim
Ortsvorsteher Klaus Worms Neuenweg |
|
Foto © Archiv Werner Störk 2015 |
Blick auf einen Teilabschnitt des großen
oberen Ringwalls - mit über 7 Meter Breite auch heute noch ein
beeindruckender Steinriegel. In Blickrichtung Südosten der markante Spitzkopf (Silberabbau ab 1278) und freie Blickverbindung auf die Holderschanze und deren Vorposten. |
Für all´ jene, die sich noch umfassender über den Schlossboden
informieren möchten, habe ich die - in der Zusammenfassung gekürzten
- Themen hier nochmals ausführlich dargestellt: |
Name |
Flurnamen sind ein seit Jahrhunderten gewachsenes Namensgut. Was den namentlichen Nachweis für den Schlossboden in Neuenweg so schwierig gestaltet: er ist in keinem amtlichen Kartenwerk vermerkt – weder auf historischen noch auf modernen Karten. Er existiert allein als mündliche Überlieferung, der oral history (mündlichen Geschichte). Wobei es tatsächlich häufiger vorkommt, dass Flurnamen - aus unterschiedlichen Gründen - ausschließlich mündlich tradiert werden. Der Schlossboden selbst liegt auf dem Gewann, das offiziell “Schafsboden” heißt. Da historische Karten für dieses Gewann auch einen anderen Namen aufweisen, dauern die Nachforschungen noch an. Wobei auch die Thematik herrschaftlicher Eigenhof im Spätmittelalter in Zusammenhang mit dem relativ großen Gewann Schafsboden (Möglichkeit der Schafszucht und Schafshaltung) in die grundsätzlichen Überlegungen mit einbezogen wird. |
Schon allein die Seltenheit des Namens - im
alemannischen wie auch im weiteren Sprachraum - zeugt
von der historischen wie auch von der archäologischen Sonderrolle, die der
Neuenweger Schlossboden
besitzt: es gibt – so der aktuelle Stand der www-Recherche – im gesamten
einstigen deutschen Sprachraum nur 5 (fünf!) "greifbare" Gewanne
mit gleichem Namen –
überwiegend sog.
Burgställe
oder Burgstellen
(abgegangene Burgen) aus dem 12. bis 14.
Jahrhundert. |
Der Begriff
„Schloss“
ist mehrfach deutbar – oft auch in Kombination mit diesen
Deutungsvarianten:
so werden mit
Schlossboden und
Schlossdecke
das untere bzw. das obere Schlossblech bezeichnet, welche hinter
dem Stulp den Kasten
(Korpus) des Steckschlosses bilden.
Die Begriffe Schloss
und Burg hatten ursprünglich eine ähnliche Bedeutung. Ein Schloss war im
Mittelalter primär der Türriegel, also das Türschloß eines
Raumes/Gebäudes, wo man sich zum Schutz
oder zur Verteidigung einschließen
konnte. |
Persönliche Anmerkung: Aufgewachsen in Lörrach und damit im alemannischen Sprachraum, war für uns alle die Burgruine Rötteln immer nur das "Schloss Rötteln" bzw. das "Röttler Schloß" und lediglich ab jenem Zeitpunkt, wo wir im Geschichtsunterricht erstmals das Mittelalter und das Leben der Ritter kennenlernten, haben wir das "Schloss Rötteln" - zwar nur punktuell - auch als "Röttlerburg" oder "Burg Rötteln" betitelt - ansonsten blieb es bis heute beim "Schloss Rötteln" bzw. dem "Röttler Schloß" |
Mit
Schlossboden werden
auch Bauteile
(Dachboden, Fußboden) innerhalb eines Schlosses bezeichnet. Speziell
kann damit aber auch ein Speicherraum im oberen Teil des Schlosses
gemeint sein. |
Der Begriff
Boden
bei Flur- und Gewannnamen |
Eine weitere Deutung von
Schloss
als Flurnamen: hier stellt man einen Zusammenhang
zu einem durch
einen Felsabbruch entstandenes abgeschlossenes Gelände her. |
Während der Schlossboden als nur mündlich überlieferter Namen wohl inhaltlich so stimmig ist, kam es bei den ersten karten- und katastermäßigen Erfassungen der Flurnamen des benachbarten Gebiets beim Verhochdeutschen von alemannisch geprägten Begriffen wohl zu irreführenden Umwidmungen. Und damit zu unsinnigen Wortschöpfungen. Die dann bei nachfolgenden Kartenüberträgen übernommen wurden bzw. bei komplett neuen Kartenwerken wiederum eine weitere vermeintlich oder sogar tatsächlich sinngebende Korrektur des Namens und damit auch eine neue Begrifflichkeit erfuhren. |
Ein Beispiel: im Alemannischen steht schlofe für schlafen und ein Schlofbode war ein Schlafboden - der häusliche Schlafboden für dessen menschlichen Bewohner. Draußen in der Natur war es dagegen ein spezielles Flurstück für dort lagernde und weidende Tiere, vor allem für Ziegen und Schafe - alemannisch: Geiss und Schof. Daraus entstand vermutlich beim Fresson-Gemarkungsplan von 1753 ein Schlaffboden - der erst viel später - wie ein bereits schon bestehender Flurname - in ein Schafsboden umgetauft wurde. Inwiefern solche Umwidmungen auch beim ebenfalls benachbarten Schiffsboden zum Zuge kamen - bleibt offen, wie auch andere Flurnamen etwas rätselhaft sind - und wohl auch bleiben. |
Geographische Lage |
Die geographische Lage EW vom Schlossboden mit 890 m, nördlich von Vorderheubronn, westlich von Neuenweg (720 m), Kleines Wiesental, Landkreis Lörrach, Baden-Württemberg. Der Schlossboden als Gewann ist Teilbereich vom Dachseck (1.036 m) und vom Schafsboden. Die westlich vom Schlossboden gelegene Quellmulde wird durch den Vorderen Grundbach entwässert, der in das Kreuzbächle fließt und anschließend in den Klemmbach mündet. Dieser vereinigt sich dann mit der Kleinen Wiese (Belchenwiese/Köhlgartenwiese). |
Topografische Lage |
Die topographische Lage des
Schlossbodens liegt unmittelbar an
drei wichtigen Paßwege (Eck, Sirnitz, Münstertal) - mittelbar am Hau
- und
gleichzeitig an der für einen solchen Überwachungszweck optimal
nutzbaren engsten Stelle des ganzen Tales. Und ist der einzige Punkt,
von dem aus alle relevanten Beobachtungs- und Kontrollpunkte visuell
oder auch räumlich problemlos und schnell erreicht werden konnten.
|
Vom Schlossboden hat man eine freien Sicht auf folgende - auch miltitärisch-strategisch - wichtigen Geländepunkte: der Weg zur Sirnitz, Blick auf die Einmündung des Klemmbach-Tales, Kommunikation mit dem Schänzle überhalb des Klemmbachtales, Kommunikation mit der Holder-Schanze, Blickkontakt mit dem Vorposten der Holder-Schanze, direkte Sicht auf die Redoute (Viereckschanze) auf dem Hau und auf Neuenweg sowie auf den Hau-Pass selbst sowie auf den Weg ins Münstertal - es ist dies der einzige Geländepunkt, der alle diese Punkte gemeinsam erfassen kann. |
Strategische Lage |
Der Schlossboden liegt nicht nur nicht nur in Richtung OW (EW) und WO
(WE) exponiert, sondern auch in SN-Richtung. Auf diese Weise konnten
alle militärisch-strategische Ziele, aber auch territorialen
Einflussmöglichkeiten erreicht werden - weit über das Kleine wie auch das
Große Wiesental hinaus - bis hinein in den Breisgau, aber auch über St.
Blasien bis auf die Baar, die Schwäbische Alb und den Bodensee. Und
nicht zu vergessen: Basel und die Eidgenossenschaft. Für viele war und
ist der Talkessel von Neuenweg im mehrfacher Hinsicht lediglich
"das Ende des Tals"
(Süd-Nord) - in
Wirklichkeit nahm Neuenweg schon früh eine sehr wichtige Brückenfunktion
(Ost-West) war - zwischen unterschiedlichen Territorien, unterschiedlichen
Glaubensrichtungen und unterschiedlichen Landschaften |
Der Schlossboden liegt
damit ausgesprochen verkehrsgünstig an vier
Pass-Straßen und an einem der wichtigsten West-Ost-Verkehrswege des
südlichen Schwarzwaldes (Oberrhein - Breisgau (Freiburg, Breisach) - St.
Blasien - Baar - Schwäbische Alb – Bodensee - Hochrhein – Basel –
Frankreich (Hüningen/Neu-Breisach). Gleichzeitig sicherte er den
Hangsattel Auf der Eck
– dem wichtigen Pass-Pendant zum Hau-Pass
sowie das Klemmbachtal - mit
Sichtkontakt zur
dortigen Schanze. |
Geostrategisch ist der
Schlossboden auch ein Symbol
für die bewegte territoriale Geschichte des Keinen Wiesentals und vor
allem auch für die des Hinteren Kleinen Wiesentals - im intensiven Wechsel
mit territorialen
"Schwergewichten" jener Zeit und so z. B. auch im unmittelbaren
Spannungsfeld von mächtigen Klöstern (St. Blasien, St. Trudpert) und
weltlichen Herren (Herren von Waldeck, Herren von Hachberg-Röttlen,
Herren von Röttlen, etc.). Aber
auch
als sehr wichtiges Drehkreuz der historischen
Durchmarschrouten und Schauplatz konkreter kriegerischer Ereignisse im
Dreißigjährigen Krieg und im Spanischen Erbfolgekrieg. |
Der Schlossboden liegt ebenfalls unmittelbar in der Nähe zum benachbarten Spitzkopf, an dem im 13. Jahrhundert ein erfolgreicher Silberbergbau begann. |
Fazit: Ein mit viel regionalem Wissen gespeister und
mit erstaunlicher Gesamtlogistik ausgewählter geostrategischer Standort – sei es
zur Überwachung, zur Sicherung, zum Schutz oder zur Kontrolle - aber
auch zur sichtbaren und
stellvertretenden Präsenz der Herrschaft und der damit natürlich auch
verbundenen Machtdemonstration |
LIDAR © LDA & LVA © Grafik Werner Störk © 2016 |
So könnte die Schlossboden-Anlage im 30-jährigen Krieg befestigt worden sein - Versuch einer maßstäblichen Rekonstruktion einerseits auf der Basis der archäologischen Spuren, andererseits entsprechend einer idealtypischen Befestigung: der nördliche Sperrgraben - mit Wall und Palisadenbesatz sowie mittlerem, beweglichem Zugang (gelb), entsprechend der naturräumlichen Topographie folgend jeweils eine Palisadenwand mit innen umlaufender Brustwehr (orange), großer umlaufender Wallgraben, auf der Westseite abgelöst durch eine westliche Palisadenwand (keine Spuren eines Grabens), Sperrwall (weiß) zwischen oberen und unterem Ringwall (grün), Kommunikationslinien zum Eck und nach Heubronn (schwarz). Der Zugang zur Anlage erfolgte im Norden, nach Süden, Westen und Osten war die Anlage abgeschlossen. Der vorgelagerte untere Ringabschnittswall und der umlaufende große Wallgraben sowie die zweifache Sicherung der nördlichen Zugänge ermöglichten eine effektive Verteidigung - zunächst im äußeren, dann schließlich im inneren Bereich des oberen Ringwalls. Die Anlage selbst ist im Westen durch ein sehr feuchtes Quellgebiet, das relativ steil abfällt, geschützt (blaue Pfeile), nach Süden fällt das Gelände sehr steil und kaum begehbar ab (graue Pfeile), nach Osten ist ebenfalls relativ steiles Gelände - ein Angriff ist nur direkt vom Eck-Pass aus möglich. Dass die Erbauer dieser Anlage genau davon ausgingen, zeigt die starke Fortifikation mit Wallgraben und zwei Ringwällen. Wurde der Platz bereits vor dem 30-jährigen Krieg benutzt, könnte hier z. B. ein Turm (braun) - rund oder eckig - errichtet worden sein oder ein anderer Gebäudetyp "thronte" - weithin sichtbar - auf der imposanten Kuppe. |
Archäologische Spuren |
Die heute noch gut erkennbaren Bodenspuren (siehe oben) belegen eine
einst sicher beeindruckende Gesamtanlage, die ringförmig und mehrfach
durch Wälle, Wallgräben und wohl auch durch Palisadenwände geschützt war,
die heute ohne Grabung nicht mehr nachweisbar sind. So umfassen
die äußeren Wall- und Sperrgräben eine Fläche von rund 17.500 qm mit
einer Gesamtlänge von rund 550 m. Der Innenbereich weist ein Wall-Länge
von ca. 300 Metern mit einer Fläche von rund 5.500 qm auf. Die
Plateaufläche der Kuppe - als nutzbarer Standort für ein oder mehrere
Bauwerk/e - besitzt ca. 1.100 qm Fläche und einen Umfang von 130 Metern. |
Die Nutzflächen innerhalb und außerhalb der Anlage als Feldlager belaufen sich ca. 4.000 qm (für rund 500 Mann/250 Zelte), konnten jedoch kurzfristig auch auf 7.000 qm erweitert werde. Die Gesamtfläche der Anlage liegt auf ca. 24.000 qm. Möglicherweise war auch die Westflanke nicht nur durch eine oben entlanglaufende Palisadenwand als Schutz für das Lager ausgestattet, sondern auch durch vorgelagerte Sicherungselemente (Spanische Reiter, Faschinen, Schanzkörbe, etc.) geschützt - eventuell sogar durch eine Wallgraben, auf dem heute ein "auffälliger" Feldweg liegt. Inwiefern auch der unmittelbare Außenbereich z. B. durch Wolfsgruben zusätzlich gesichert wurde, ist nicht mehr nachweisbar - aber liegt nahe. Ein rund 46 Meter langer und ca. 8 Meter breiter Graben trennte den nördlichen Eingangsbereich von der Kuppe und ihrem Plateau und war wohl nur über ein bewegliches Brückenelement betretbar - das im Angriffsfall wie eine Zugbrücke hoch- oder eingezogen werden konnte. |
Das Gelände wurde durch anthropogene Eingriffe in
den letzten 50 Jahren stark und nachhaltig überformt. Dazu zählen:
Eingriffe der Land- und Fortwirtschaft (Forstweg)sowie das Anlegen einer
Fußballfeldes (vergleichbare Situation mit dem Fußballplatz auf einer
der Adelsberger Schanzen bei Zell oder einer Freizeithütte auf dem
Hirschbühl am Zeller Blauen – jeweils auf den historischen
Schanzanlagen, die bereits eine ausreichend ebene Plateauflächen besaßen).
Den jeweiligen Initiatoren ist jedoch kein Vorwurf zu machen, da das
gesellschaftliche Bewusstsein für solche historische Anlagen –
insbesondere für reine Erdwerke - erst in den letzten Jahren wieder
gewachsen und durch öffentlichkeitswirksame Projekte geschärft wurde. |
Man kann auf Grund mehrere Indizien - u.a.
der nur über die oral history tradierte Gewann-Namen sowie die
zeitliche Einordnung seiner Namensvettern - auch einen
wesentlich früheren Auftakt dieser Anlage vermuten. Dabei zentriert
sich der Fokus auf jene Übergangsperiode, als die Herrschaft und der
Territorialbesitz derer von Waldeck auf die Herren von Röttlen
übergingen (13. Jahrhundert). Hier sehen wir auch schützenden
Funktionsbezüge zum beginnenden Silber-Bergbau am Spitzkopf - wo wir
derzeit auch noch intensiv forschen (Stichwort: Wüstung
Steinihöff). |
Das Fehlen von sichtbaren Gebäuderesten, Grundmauern, Fundamenten (ein dafür notwendiger Nachweis ist ohne einen speziellen Sondierungsgraben und dem Einsatz von Metalldetektoren nicht führbar) kann viele Gründe haben: |
Auch wenn nach neuen wissenschaftlichen
Erkenntnissen das Basler Erdbeben von 1356 keine so starken
Auswirkungen wie bisher angenommen gehabt hat, kam es hier auf dem
Schlossboden -
vergleichbar (Analogieschluss) wie im noch weiter nördlich liegenden, benachbarten
Todtnauberger Silber-Revier - naheliegend doch zu so massiven Schäden an der
Bausubstanz, dass dieses Gebäude auf dem
Schlossboden zerstört,
aufgelassen und wiederum ein Opfer des
Steinraubs wurde. Und damit
zeitgleich auch dasselbe Schicksal wie mehrere andere Burgen im Kleinen und im
Großen Wiesental teilte. |
Weiteres Szenario: das hier einst errichtete
Gebäude wurde im Laufe einer kriegerischen Auseinandersetzung z. B. in
den Bauernkriegen (1524 - 1526) zerstört (Analogie zum Silberrevier von Todtnauberg). Die Ruine wurde dann von der ja relativ nah wohnenden
Bevölkerung von Neuenweg und Heubronn als Steinbruch genutzt - also in
Folge des
Steinraubs
ebenfalls keine
Spuren mehr. Wie sehr Steinmaterial für den Hausbau im Raum Neuenweg
gesucht und begehrt war, beschreibt mittelbar auch Karl Friedrich
Erhardt (1739 - 1811), der als Geometer 1773 die erste Beschreibung des
Belchengebietes |
Inwiefern die einer oder beide der großen Wälle
fortifikationstechnisch schon bereits zu dem hier vermuteten Gebäude gehörten oder
erst später für eine dort errichtete Verschanzung z. B. im
Dreißigjährigen Krieg (1618 - 1648) angelegt wurde, ist noch offen. Möglicherweise
war der gesamte Bereich wesentlich stärker militärisch befestigt, wie
es heute noch den Anschein hat. |
Schon allein auf Grund der wirklich außerordentlich exponierten strategischen Lage an der wichtigsten Ost-West-Verbindung des südlichen Südschwarzwaldes musste dieser Raum besonders gesichert werden. Als theoretische Möglichkeiten – entweder als reine Holzkonstruktion oder als Bauwerk mit gemauertem Fundament/Sockel und oberem Holz-Fachwerk – bieten sich an: Wartturm, Wehrturm, Wohnturm – bzw. Kombinationen davon oder auch eine andere Gebäudeform. Genauso offen bleibt die Frage: war es Adelssitz und wen ja: ein bewehrter oder unbewehrter? |
Vergleicht man die heute noch erkennbaren Reste
diese Anlage mit den anderen rund 120 Anlagen, die in dem
umfangreichen Schanzen-Projekt (2008 - 2016) jeweils Vorort untersucht, fotografisch dokumentiert und
vermessen wurden, erinnert der
Schlossboden
mit seinen Steinwällen sehr stark an drei Anlagen
in unserem Raum, die allesamt aus
dem Dreißigjährigen Krieg stammen: wie z.B. die
Wachtschanze
und das
Gatter bei
Gersbach/Fetzenbach sowie die großen Anlagen auf dem
Gleichen nahe der
Schweigmatt und
Raitbach. Jedoch einen so mächtigen Ringwall plus seinem südlichen
Abschnittswall war bislang im gesamten Untersuchungsbereich nicht bekannt – damit
besitzt der
Schlossboden
wohl ein
klares Alleinstellungsmerkmal. |
Für den Zeitraum des Dreißigjährigen Kriegs ist erwähnenswert,
dass 1633 das nahgelegene (evangelische) Heubronn von kaiserlichen (katholischen) Reichstruppen - von
der Festung Breisach aus kommend - im Zuge einer
Verproviantierung geplündert
wurde. Inwiefern dieses Ereignis Auslöser für die schwedische
Schutzmacht der Evangelischen dafür war, eine Anlage auf dem
Schlossboden
zu errichten oder
die bestehende Basisanlage wieder zu aktivieren bzw. auszubauen, lässt sich nicht mehr belegen –
ist aber naheliegend. Zumal auch 1634 das benachbarte
katholisch-habsburgisch-vorderösterreichische Schönau
überraschend von schwedischen Truppen
angegriffen wurde und bereits zuvor 1632 im ebenfalls unmittelbar benachbarten
(katholische) Münstertal auch
schwedische Truppen 70 Häuser in Schutt und Asche legten. |
Es liegt daher auch
die Vermutung nahe, dass neben
der möglichen Schanzanlage auf dem
Schlossboden, auch die ursprüngliche kleinere Schanze auf dem
Holderkopf (bevor sie als große
Holder-Schanze wichtiger
Bestandteil der Markgräflichen Linie wurde) eine deshalb auch in jenem Zeitraum (nach
1633) von schwedischen Truppen auf evangelischen Territorium errichtete
Verschanzung waren – von denen sie aus das nahgelegene katholische
Reichsgebiet (Schönau, Münstertal, Breisgau) angreifen konnten. Dazu war
aus schwedischer Sicht die Sicherung der beiden Bergsättel und Passhöhen
Hau und
Eck strategisch sehr wichtig,
um nach beiden Richtungen geschützt zu sein. Vor allem um damit
von den Reichstruppen – zeitgleich vom Münstertal und dem
Großen Wiesental her kommend – in die Zange genommen zu werden. |
|
Legt man diese historischen Zahlen zugrunde, könnten in Neuenweg zeitweise vier schwedische Kompanien, also ein ganzes Bataillon stationiert gewesen sein. Dies unterstreicht auch die strategische Bedeutung, die das Dorf im Dreißigjährigen Krieg innehatte. |
Wobei der Begriff Schweden oder Schwedische
Armee oder Schwedisches Heer - sie nannten sich selbst Schwedisch-Finnische
Armee - nur ein irreführdenes Etikett und militärischer Tarnmantel
dafür war, dass es sich hierbei um
die größte paneuropäische Armee vor Napoleon
handelte.
Schwedischstämmige stellten in dieser Armee einen nur geringen Anteil
der Obristen.
Das Hauptkontingent des Heeres wurde von Feldmarschällen der
Konföderierten und deren Bastanten-Soldaten (90%) gestellt - im
Gegensatz zur der von Gustav Adolf selbst geführten Royal-Armee. Die
sog. Bastanten setzten sich überweigend aus
Deutschen,
Finnen, Livländern, Böhmen, Schotten, Iren, Niederländern und Wallonen |
Das Gebiet um Neuenweg mit seinen wichtigen
Pass-Wegen lag damit punktuell immer wieder Zentrum massiver
kriegerischer Bedrohung. Dies sollte sich zwischen 1677 und 1678
(Holländischer Krieg 1672 - 1678 und Pfälzischer Krieg 1688 –1697) nochmals wiederholen, als französische Truppen über den
Hau ins vorderösterreichische Reichsgebiet einfielen und Schönau
niederbrannten. Auf Grund dessen - und auch im Vorfeld des Spanischen
Erbfolgekriegs (1701 - 1717) - wurde hier von 1692 an auch die
"Vordere Linie" der
Markgräflichen Schwarzwaldlinien errichtet - mit der massiven
Sicherung des
Hau-Passweges
durch eine Redoute und den weiteren Ausbau der
Holder-Schanze. Die Anlage auf
dem
Schlossboden war jedoch
nicht unmittelbarer Bestandteil dieser Linie bzw. sie war -
im Gegensatz zur
Redoute auf dem
Hau oder
der
Holder-Schanze - nicht
direkt an diese Defensivlinie angeschlossen, sondern blieb als
westlicher Vorposten mit wichtiger Wach- und
Meldefunktion ein Solitär, der allerdings auch ein südliches Pendant
hat: das Schänzle
oberhalb des Klemmbachs. |
Die über Jahrhunderte zwar nicht kontinuierliche, aber mehrfache Nutzung dieser exponierten Lage ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen - detaillierte Erkenntnisse könnten nur gezielte Grabungen ergeben. |
Schlossboden und Eschhaldener Schänzle |
Mit dem Auffinden des Flurnamens Am Schänzle hat sich überraschend nochmals ein Puzzle zur Gesamtsicherung vom Hau und vom Eck ergeben - der gefühlte, eher aber noch unbewußt gesuchte und irgendwie schon lang vermisste missing link - das wesentliche Sicherungsstück zwischen den Schanzen und Vorposten und auch für das bislang im südlichen Kernbereich "unbewachte" Klemmbachtal. Mit dem neuen Nachweis dieses Flurnamens ist es nun erstmals gelungen, die gesamten vier Pass-Sicherungen fortifikatorisch wie auch archäologisch als Gesamtheit zu erfassen und - soweit von mir aktuell überschaubar - auch nunmehr zum ersten Mal überhaupt vollumfänglich zu dokumentieren. Mit diesem südlichen Pendant zum Schlossboden ist erst jetzt das gesamte Kommunikationssystem rekonstruierbar und ermöglicht so auch neue Erkenntnisse über Neuenwegs Fortifikation im 17. und 18. Jahrhundert. Gleichzeitig unterstreicht es die strategische Bedeutung beider Standorte. |
Schlossboden und Eck-Schanze |
Mit der Schanze auf der Eck wird das bestehende Schanzen- und Vorposten-Ensemble durch einer Redoute (Viereckschanze, 20 x 20 Meter, mit 6 Meter breitem Wallkorpus) mit einem rund 130 m langen und 7 Meter breiten Wallgraben in Richtung Eck-Pass und 80 Meter zur L 131 komplettiert, die alle drei die eigentliche Eck-Sicherung und das Pendant zum Schlossboden bilden. Vielleicht war der Redoute noch ein weiteres Fortifikationselement (möglicherweise ausspringender Winkel) vorgelagert. Nach Osten in Richtung Neuenweg liegen weitere Wallgräben. Auch auf der gegenüberliegenden Seite wurde der Eck-Pass sowie auch der Schlossboden mit einem weiteren beeindruckenden Wallsystem geschützt. |