AG MINIFOSSI
Arbeitsgemeinschaft Mineralien, Fossilien, Gold, Glas & Fortifikation
- Arbeitsgemeinschaft besonders befähigter Schüler -
Friedrich-Ebert-Schule Schopfheim
Gemeinschaftsschule
D- 79650 Schopfheim
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Auf den Spuren des legendären Türkenlouis Medien-Exkursion Vorort mit Christine Böhringer von der Hamburger Redaktion DIE ZEIT
und dem Basler TOP-Fotografen Friedel Ammann..
Alle Fotos © Friedel Ammannn Basel 2007 Unsere Memory-Seite - ein wirklich nachhaltiges Ereignis in Sachen Medienkompetenz:
Interviews an Original-Schanzenstandorten mit Christine Böhringer, Fachredakteurin der
weltbekannten Wochenzeitung "DIE ZEIT", WISSEN (Hamburg) und mit Friedel Ammann,
dem bekannten Fotografen aus dem benachbarten Basel. Der vielbeachtete Artikel wurde
am 4. April 2007 veröffentlicht (siehe Pressearchiv 2007).
Jedem seine Schanze
Schüler als Entdecker: Zusammen mit ihrem Lehrer Werner Störk stürmen sie alte badische
Verteidigungsanlagen und finden Gold im Rhein. Geologen und Archäologen sind beeindrucktVon Christine Böhringer © 2007
Da steht er in der Morgensonne, der Herr Störk. Die Schuhe im feuchten Laub, die Lederweste über dem Hemd.
Er hat die Landschaft und sein Gefolge fest im Blick. So hat vor über 300 Jahren, vielleicht, auch der Markgraf
Ludwig Wilhelm von Baden hier gestanden, als er seine Verteidigungsanlage plante. Längst ist der Besieger der
Osmanen und Feind der Franzosen in die Geschichte eingegangen. Doch das Erbe des »Türkenlouis« ruht noch
heute im Wald: hohe Wälle bis zum Horizont, ein Hindernis nach dem anderen, getarnt von der Natur. »Vorsicht!
Gestern hat's geregnet«, ruft Werner Störk, als seine Begleiter die Hügel erklimmen.»Zwei Teams bilden, zum Vermessen. Ein wenig zackig«, schallt er hinterher. »Ich bin halt nicht so schnell, Herr
Störk«, mault einer. »Wie Montag in der ersten Stunde«, ruft der zurück. Lachen im Wald, aus fünf Kehlen, vier-
mal hoch, einmal tief.Der Lehrer und seine Schüler erobern an diesem Samstag wieder einmal ein Stück Kriegsgeschichte. Insgesamt
sind die Anlagen des Türkenlouis 200 Kilometer lang, ein ganzes Netz von Schanzen, Wällen und Kommunika-
tionslinien, das sich über den Schwarzwald erstreckt. Am Ende des 17. Jahrhunderts errichtet, um den Franzo-
sen den Weg abzuschneiden, geriet es schließlich fast in Vergessenheit. Vor fünf Jahren noch waren im süd-
lichen Teil nur acht Anlagen bekannt, inzwischen sind 120 hinzugekommen - entdeckt von Störk und seinen Schü-
lern. »Nirgendwo anders sind Schanzen so gut untersucht worden«, sagt der Archäologe Bertram Jenisch von der
Denkmalpflege des Regierungspräsidiums Freiburg. »Ich kenne nichts Vergleichbares«. Und damit meint er nicht
nur die Schanzen, sondern auch deren Entdecker: den Lehrer und die Haupt- und Werkrealschüler der Schopf-
heimer Friedrich-Ebert-Schule.Diese Schüler sagen Sätze wie: »Es interessiert mich, was hier früher los war« oder »Schanzen entdecken macht
Spaß«. Sie haben rot gefärbte Strähnen im Haar, tragen Jeans und Basecaps. Mittwochs bauen sie Dioramen,
samstags gehen sie in den Wald oder zum Goldwaschen und sonntags besuchen sie Ausstellungen. Der Deut-
sche Preis für Denkmalschutz steht in ihrem Regal, sie arbeiten mit Universitäten zusammen, und das Curt-En-
gelhorn-Zentrum für Archäometrie hat für die Analyse der Himmelsscheibe von Nebra von ihnen Goldproben ange-
fordert - aus den vergangenen 25 Jahren. So lange nämlich forschen, schürfen und entdecken die Schopfheimer
Schüler schon. So lange gibt es auch ihre Arbeitsgemeinschaft Minifossi. Und deren Leiter war von Anfang an
Werner Störk.Der Störk, sagen sie in Schopfheim, ist Minifossi, und Minifossi ist Störk. Er fährt seine Schüler im Auto herum,
sitzt abends über Büchern nach, wenn sie Fragen haben, und finanziert die Arbeitsgemeinschaft zum Großteil
aus eigener Tasche. »In Absprache mit meiner Frau.« Manchmal fragen die Kollegen: »Warum tust du dir die
zusätzliche Arbeit an?« Vielleicht, weil du keine leichte Jugend hattest oder an einer Profilneurose leidest? Weil
du bewusst immer schon Hauptschullehrer werden wolltest? Werner Störk muss dann lachen. Nein, er tut es,
weil er das Gefühl zurückbekomme, dass seine Arbeit anerkannt werde - und weil er an die Jungen und Mäd-
chen glaubt.Er sieht in ihnen nicht diejenigen, die es nicht auf das Gymnasium geschafft haben, sondern künftige Bäcker,
Firmenchefs und Kaufleute: »Menschen, denen wir unseren Lebensalltag anvertrauen wollen. In der Haupt-
schule fallen lebenswichtige Entscheidungen. Danach sind sie 40 Jahre im Beruf. Hier kann man die Schüler
zu Leistungen animieren, die man gängigerweise nicht von ihnen erwartet«. Das hat er schon als junger Leh-
rer gemerkt. Irgendwann in den Achtzigern hat er ein paar wilde Jungs an den Projekttagen zum Goldwasch-
en mitgenommen. »Wir haben tatsächlich welches gefunden, und die Schüler tauten auf.«
Mittlerweile haben sie den Rhein mit seinen Zuflüssen bis nach Frankfurt systematisch untersucht und besitzen
die größte Rheingoldsammlung der Welt. Und sie gingen ins Naturkundemuseum. Da war Gestein, mit wunder-
barer Struktur. Woher? Aus der Region! »Wir möchten auch so etwas finden«, sagten die Schüler. Beim Gold-
waschen blitzte es plötzlich grün in der Schüssel. Warum? Hier wurde einst das für die Region typische grüne
Waldglas produziert. Schließlich kam der Förster zu Werner Störk. Er müsse einen Plan mit Bodendenkmälern
erstellen. Es gehe um Schanzen; nein, nicht ums Skispringen, sondern um die Dinger, auf denen Soldaten einst
auf ihre Feinde warteten. Und der Förster zeigte auf einen seltsamen Hügel.»Ich kenne Leute, die stolpern über irgendwas, sagen hoppla und gehen einfach weiter«, sagt der Archäologe
Jenisch. »Der Störk ist einer, der beißt sich dann fest.« Gerade stolpert er schon wieder, diesmal über Brom-
beerzweige. »Grüner Stacheldraht«, sagt er, seine Augen leuchten. Der Brombeer rankt offenkundig um eine
Schanze. Die Schüler teilen sich auf, routiniert, ganz selbstständig. Drei vermessen mit Laser und Maßband,
einer skizziert. Sie haben auch schon digitale Geländepläne erstellt. Natalie und Rebecca, beide 16 Jahre alt,
finden: »Der Herr Störk ist witzig, geduldig, und er kann gut erzählen. Man lernt viel, ohne es zu merken.«
David, 18, und Michael, 19, haben die Führung übernommen. Sie gehen schon längst nicht mehr zur Schule,
sondern machen eine Ausbildung, aber wer es in die Arbeitsgemeinschaft geschafft und die sechs Wochen
Probezeit überstanden hat, bleibt ihr oft ein Leben lang verbunden. Störk hat mittlerweile schon nicht nur klei-
nere Brüder und Schwestern in der AG, sondern auch die Kinder ehemaliger Schüler. Insgesamt gibt es rund
200 ehemalige Minifossis in der Stadt. Und wann immer Störk um Hilfe bittet, wenn er einen Ausbildungsplatz
für einen seiner Schüler sucht, dann helfen sie. Das System funktioniert.Einer der Ehemaligen hat auch die Hölzer für die Dioramen gefräst, die im Keller der Schule entstehen. Störk
führt herum: Hier, die Schlacht am Kahlenberg. Dort die Schanzen auf den Hügeln rund um Schopfheim, 60 an
der Zahl. Da die Facetten der Verteidigungstechnik. Erdtrichter mit Pfählen drin, Wallschwärme, Hagbuchen,
deren jungen Triebe miteinander verflochten wurden - ein undurchdringbares Dickicht. Es waren einfache De-
fensivsysteme, gestaltet mit dem, was der Schwarzwald hergab, gebaut von den Bauern aus der Region, den
eigenen Vorfahren. »Die Schüler sollen wissen, woher sie kommen und wohin sie gehen. Sie sollen wissen,
dass hier schon viel geschafft wurde und dass sie es auch schaffen können.« Steine lagen damals bereit und
abgesägte Bäume. Sie sollten zu Lawinen werden, wenn der Feind kam. Aber er kam nie. Und so haben sich
die Verteidigungsanlagen bis heute gut erhalten.Störk will, dass das nicht nur die Schüler, sondern auch andere wissen. Die Minifossis seien ein Fenster der
Hauptschule. »Es wird von draußen nach drinnen geschaut und von drinnen nach draußen.« Austausch ist
ihm wichtig - und im Sommer wird sich das Fenster wieder ganz weit öffnen. Die Stadt will eine Schanze neu
errichten lassen, drei Meter hoch, sechzig Meter Durchmesser, mit Wachturm, Gräben, als Ausflugsziel. Es
wird eine Ausstellung zum Türkenlouis und zu seinen Verteidigungstechniken mit den Dioramen geben, und
ein Museum wird entstehen, ein Wald-Glas-Zentrum. Und unter vielen Ausstellungsstücken, sagt Werner
Störk stolz, werde stehen: »Leihgabe der AG Minifossi«. Aber nicht sein Name. Denn schließlich gehe es
nicht um ihn, sondern um die Schüler. Darauf legt er Wert, wie immer, der Herr Störk.Der Mensch ... Werner Störk, 56, ist seit 1974 Lehrer an der Friedrich-Ebert-Schule in Schopfheim, einer Hauptschule mit
Werkrealschule im Schwarzwald. Vor 25 Jahren gründete der gebürtige Freiburger dort die archäologisch
und naturwissenschaftlich orientierte Arbeitsgemeinschaft Minifossi. Die Schüler werden von der Begabten-
förderung des Landes unterstützt und haben für ihre Arbeit den Deutschen Preis für Denkmalschutz erhalten.
... und seine Idee Ein Lehrer sollte seinen Schülern alles zutrauen, findet Störk. Deren Erfolg gibt ihm recht: Seine Minifossis
haben über 30 Erstnachweise für Gold geführt, Waldglashütten erforscht, 120 Wallanlagen und Schanzen
gefunden, darunter die Sternschanze. Ein Mix aus Feldarbeit und Erlebnispädagogik ist sein Unterrichts-
rezept. Das aber wirkt nur, wenn Lehrer bereit sind, mit Schülern zu forschen und auf Entdeckungsreisen
zu gehen.
Quelle: DIE ZEIT - WISSEN - vom 04. April 2007
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