Eugen (Prinz von Savoyen)
(griech. Eugenios, etwa s. v. w. Wohlgeborner, Edler) Franz Eugen.,
Prinz
von Savoyen, der berühmte
"Prinz Eugen", war als der jüngste der fünf Söhne des savoyischen
Prinzen E
ugen Moritz von Savoyen-Carignan,
Grafen von Soissons, und der Olympia Mancini, einer Nichte Maza-
rins, 18. Okt. 1663 zu Paris
geboren. Er war zuerst für den geistlichen Stand bestimmt und bereits
als
Knabe im Besitz zweier Abteien
(daher er am französischen Hofe "der kleine Abbé" hieß);
aber Neigung
zum Kriegsdienst und besonders
geringschätzige Behandlung von seiten Ludwigs XIV. und seines Kriegs-
ministers Louvois veranlaßten
ihn 1683, sich in österreichischen Dienst zu begeben. Bald fing "der
kleine
Kapuziner" an, sich durch
Waffenthaten hervorzuthun, namentlich bei der Entsetzung Wiens unter dem
Oberbefehl Karls von Lothringen,
dem er stets ein dankbares Andenken bewahrte. Er focht hierauf 1684
bei der vergeblichen Belagerung
Ofens, sodann bei Gran unter Markgraf Ludwig von Baden, der in ihm
den spätern Helden
ahnte, und nahm mit demselben auch 1686 an der Eroberung Ofens teil, wobei
er
eine schwere Verwundung
davontrug. Nachdem er den Winter in Venedig zugebracht hatte, machte er
wieder 1687 den neuen Feldzug
in Ungarn mit, welcher 12. Aug. mit dem Sieg bei Mohács gekrönt
wurde.
Prinz E. war einer der ersten
in den türkischen Verschanzungen und wurde dafür mit der Überbringung
der Siegesbotschaft nach
Wien beauftragt. 1688 zum Feldmarschall-leutnant erhoben, nahm er an der
Er-
oberung Belgrads teil und
focht 1689 gegen die Franzosen am Rhein. 1690 bewog E. den Herzog Viktor
Amadeus von Savoyen zur
Allianz mit dem Kaiser und befehligte das jenem zu Hilfe gesendete österreich-
ische Heer. Schon aber hatte
bei seiner Ankunft jener das Treffen von Staffarda (18. Aug. 1690) verloren,
und E. konnte nur den Rückzug
leiten. Überhaupt hatte er die Fehler der Verbündeten mehrmals
wieder
gutzumachen, drang aber
doch 1692 in Südfrankreich ein. Erst 1696, als Savoyen offen zu Frankreich
übertrat, zog er sich
in das Mailändische zurück. Schon 1693 ward er zum Feldmarschall
ernannt. Gegen
die Türken war inzwischen
unglücklich gefochten worden. E. aber, zum Oberbefehlshaber in Ungarn
er-
nannt, behauptete trotz
aller Schwierigkeiten Peterwardein, drang, als die Türken sich über
die Theiß zu-
rückzogen, ihnen nach
und erfocht den großen Sieg bei Zenta(11. Sept. 1697), wo in zwei
Abendstunden
die Türken 30,000 Mann
an Toten und 6000 Mann an Gefangenen einbüßten. Dieser Sieg
brach die tür-
kische Macht in Ungarn,
wiewohl E. aus Mangel an Geld und Belagerungszeug die Verfolgung des Fein-
des nicht fortsetzen konnte.
Auch im folgenden Jahr behielt E. das Oberkommando in Ungarn mit unbe-
schränkter Vollmacht
bis zum Frieden von Karlowitz (26. Jan. 1699), der recht eigentlich als
Eugens Werk
anzusehen ist. Er begab
sich sodann auf seine Güter in Ungarn, welche ihm der Kaiser geschenkt
hatte, bis
ihn der Ausbruch des spanischen
Erbfolgekriegs zu neuer Thätigkeit rief. E. zog 170.1 mit 29,000 Mann
durch Tirol über die
Alpen, umging auf Wegen, die erst gebahnt werden mußten, den an den
Etschklausen
auflauernden Catinat, besetzte
das Vicentinische, lieferte dem Marschall Tessé bei Carpi ein Treffen,
wel-
ches für Österreich
das Land zwischen Mincio und Etsch gewann, schlug (1. Sept.) bei Chiari
den mit
20,000 Mann neuer Truppen
aus Frankreich angekommenen Villeroi und nahm denselben durch Überrum-
pelung in Cremona (1. Febr.
1702) gefangen, konnte aber die Stadt nicht behaupten. Die Schlacht bei
Luz-
zara (15. Aug. 1702) gegen
den Marschall Vendôme führte zu keiner Entscheidung, und E.
konnte die Of-
fensive wegen schlechter
Unterstützung von seiten der Wiener Regierung nicht wieder aufnehmen.
E. ging
daher selbst nach Wien,
wurde zum Hofkriegsrat ernannt und bereitete, soweit es die erschöpften
Geldmit-
tel zuließen, einen
neuen Feldzug für den Frühling vor; doch war das Jahr 1703 kein
glückliches, da der
Kurfürst von Bayern
zu Frankreich überging und die Ungarn sich unter Franz Ráköczi
empörten. E. ging
selbst nach Ungarn, um den
Aufstand zu unterdrücken, und verfocht bei seiner Rückkehr mit
allem Nach
druck den Gedanken, daß
der eigentliche Sitz der Gefahr für Österreich weder in Italien
noch in Belgien
oder Ungarn, sondern lediglich
in Bayern sei, und daß die Entscheidung des Kriegs einzig und allein
in der
Überwältigung
des Kurfürsten Max Emanuel liege, daher man, da die Kräfte Österreichs
und des Reichs
für die Durchführung
dieses Plans nicht ausreichten, den englischen Feldherrn, Herzog von Marlborough,
aus Belgien an die Donau
ziehen und mit ihm vereint den entscheidenden Schlag führen solle.
Marlborough
ging auf den Plan ein, und
so vereinigten sich die Heere Eugens, Marlboroughs und Ludwigs von Baden,
Führers der Reichstruppen,
in Schwaben, und in Großheppach (in Württemberg) kam 12. Juni
1704 E. mit
diesen Männern zusammen,
um die letzten Verabredungen zu treffen. E. übernahm zunächst
die Aufgabe,
den im Elsaß stehenden
Marschall Tallard vom Übergang über den Rhein abzuhalten, zog,
als diesem der
Übergang doch gelang,
ihm nach bis Bayern und vereinigte sich mit Marlborough. Am 13. Aug. 1704
er-
fochten beide bei Höchstädt
(Blenheim) über Maximilian von Bayern und den französischen Marschall
Tal-
lard einen entscheidenden
Sieg, trieben die Franzosen samt dem Kurfürsten über den Rhein
und besetzten
ganz Bayern. Hierauf wandte
sich E. nach Italien, wo inzwischen die Lage der Österreicher und
des Her-
zogs von Savoyen eine verzweifelte
geworden war. Obgleich E. anfangs nicht viel ausrichten konnte und
sogar in Wien wegen seiner
geringen Erfolge verdächtigt wurde, behielt er doch sein Kommando
und er-
focht 7. Sept. 1706 den
glorreichen Sieg bei Turin. Hierfür zum Statthalter von Mailand ernannt,
säuberte
er das Land von den Franzosen
und schloß die Generalkapitulation vom 13. März 1707 ab, in
welcher
Ludwig XIV. die italienische
Halbinsel bis auf Neapel aufgab. Letzteres ließ E. bald nachher durch
Daun
besetzen, der Kirchenstaat
mußte ihm seine Truppen ernähren helfen. 1707 machte E. wieder
einen Ein-
fall in Frankreich, mußte
aber vor Toulon unverrichteter Dinge umkehren. 1708 war er in den Niederlan-
den, um mit Marlborough
und Heinsius den weitern Gang des Kriegs zu beraten. Am 11. Juli d. J.
gewan-
nen die beiden Helden die
Schlacht von Oudenaarde, nahmen 22. Okt. die Festung Lille und erfochten
11. Sept. 1709 einen zweiten
Sieg bei Malplaquet. E. begab sich hierauf nach Berlin, um die Abrufung
der Preußen aus Italien
zu verhindern. Dem Kaiser riet er, die französischen Friedensanerbietungen
anzu-
nehmen, da sich nun Gelegenheit
darbiete, Straßburg und Elsaß wiederzugewinnen. Aber sein Rat
ward
nicht gehört. 1710
war er in den Niederlanden thätig und wandte sich 1711 wieder an den
Mittel- und
Oberrhein, um die Reichskreise
und die in Frankfurt a. M. versammelten Wähler des Reichs vor dem
F
eind zu schützen. Er
widerriet dem Kaiser Karl VI. die Beschickung des Utrechter Kongresses
und eilte
selbst nach London, um die
Allianz zwischen Österreich und England womöglich noch aufrecht
zu erhal-
ten. Die Königin empfing
ihn aufs gnädigste und beschenkte ihn mit einem kostbaren Degen, auch
die
Minister überhäuften
ihn mit Aufmerksamkeiten aller Art; den Zweck seiner Reise aber erreichte
er nicht,
vielmehr wurden seine Operationen
durch die zweideutige Haltung der Engländer nach Abberufung Marl-
boroughs gelähmt. Am
11. April 1713 wurden zu Utrecht die Verträge, wodurch sich Frankreich
mit Eng-
land, Holland, Savoyen,
Portugal und Preußen aussöhnte, unterzeichnet. Obgleich der
Kaiser beschloß,
den Krieg allein fortzuführen,
mußte doch E. selbst bei der matten Haltung des Deutschen Reichs
zuletzt
zum Frieden raten, welcher
auch von E. und Villars zu Rastail 7. März 1714 für den Kaiser
und 7. Sept.
d. J. zu Baden in der Schweiz
für das Reich abgeschlossen wurde. Der Kaiser ernannte E. zum Statthalter
in den nun österreichischen
Niederlanden. Als bald darauf (1715) die Pforte den Karlowitzer Frieden
brach, führte E. (1716)
64,000 Mann gegen den türkischen Großwesir Ali, welcher mit
150,000 Mann
gegen Peterwardein ein heranrückte.
Die Schlacht (5. Aug. 1716) endete mit der vollständigen Niederlage
der Türken, die Beute
der Sieger war unermeßlich. Vom Papst erhielt der Sieger von Peterwardein
den ge-
weihten Hut und Degen. Im
Juni 1717 begann E. die Belagerung des von 30,000 Türken besetzt gehalte-
nen Belgrad und schlug (16.
Aug.) das weit überlegene türkische Entsatzheer, worauf Belgrad
sich ergab. S
emendria, Schabatz, Orsova
u. a. O. fielen bald darauf ebenfalls. Am 21. Juli 1718 wurde der Passarowit-
zer Friede auf 25jährigen
Waffenstillstand unterzeichnet, wodurch Belgrad, der größere
Teil von Serbien,
ein Teil Bosniens und die
Kleine Walachei bis an die Aluta an Österreich kamen. Indes fand der
Mann, der
das Reich gegen die Türken
gesichert, dem Kaiser weit über 60,000qkm Landes erobert und Ungarn
wie-
dergegeben hatte, in Wien
eine starke Gegnerschaft, namentlich an der spanisch-italienischen Hofpartei,
die
jedoch seinen tonangebenden
Einfluß in allen großen Fragen nicht zu lähmen vermochte.
Als Generalstatthal-
ter der Niederlande (bis
1724) nahm er an dem Emporkommen der Ostindischen Kompanie lebhaften Anteil
. Beim Ausbruch des polnischen
Erbfolgekriegs übernahm der 71 jährige Held 1734 die Führung
des Reichs-
heers, ward jedoch, ehe
es zum wirklichen Schlagen kam, 1734 abgerufen und durch den Herzog Alexander
von Württemberg ersetzt.
Nach Wien zurückgekehrt, starb er plötzlich 21. April 1736. E.
war kaum mit-
tlerer Größe
und mager; in dem länglichen, stark gebräunten Gesicht traten
besonders die lange Nase und die
schwarzen, lebhaften Augen
hervor. Er war nie verheiratet. Er diente drei Kaisern, doch unter wesentlich
ver-
änderten Beziehungen,
die angeblich durch sein Wort: "Leopold war mein Vater, Joseph mein Bruder,
Karl
mein Herr" bezeichnet sind.
Sein Wahlspruch war: Österreich über alles! Seine Feldherrntalente
und seine
Kriegsthaten haben ihm den
höchsten Ruhm erworben; nicht minder groß war er als Staatsmann
und Diplo-
mat. Durch die endgültige
Zurückdrängung der Türken und die Siege über Frankreich
hat er einen maßge-
benden Einfluß auf
den Gang der Weltgeschichte ausgeübt. Von seinen Soldaten wurde er
vergöttert. Auch
für Kunst und Wissenschaft
hatte er lebhaftes Interesse. Er sammelte in Wien die erste Prachtbibliothek,
unt-
erhielt mit Montesquieu
und Leibniz einen lebhaften Briefwechsel über philosophische und staatsrechtliche
Gegenstände, war ein
Gönner des französischen Dichters Jean Baptiste Rousseau und
bearbeitete in einzeln-
en Zuschriften an Marlborough,
Stanhope, Villars u. a. Gegenstände der Kriegskunst. Von seinem Kunstsinn
zeugen sein Schloß
Belvedere nebst der Gemäldegalerie sowie die Beziehungen zu Kardinal
Albani und Jean-
ne Mariette; desgleichen
für sein wissenschaftliches Interesse die Gönnerschaft für
den neapolitanischen His-
toriker Pietro Giannone.
Ein Denkmal (von Fernkorn) wurde ihm 1865 zu Wien errichtet. Die angeblich
von
E. verfaßten politischen
Schriften, herausgegeben von Sartori (Tübing. 1812, 7 Tle.), sind
eine Fälschung.
Die "Militärische Korrespondenz
des Prinzen E." wurde von Heller herausgegeben (Wien 1848, 2 Bde.). |